Werkjahrbeiträge
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Wackelkontakt

«Wackelkontakt» ist ein Film wie ein Gemälde. Wenn man ihn gesehen hat, kann man kaum glauben, dass er sich erst aus einzelnen Teilen zusammengefügt haben muss, die gegeneinander geschnitten worden sind. Denn es ist – scheinbar – nur ein Atemzug, in dem die Geschichte von Sibylle, ihrem kleinen Bruder und ihrer Grossmutter erzählt wird. In einem der immer rarer werdenden Momente bei klarem Bewusstsein erklärt die Grossmutter ihrer Enkelin, dass sie einen «Wackelkontakt» im Kopf hat. Und tatsächlich setzt nur einen Augenblick später die Verbindung zur ihrer Umwelt aus. Sie bleibt stehen wie eine alte Uhr, deren Schlagwerk Sibylle auch mit noch so rabiaten Massnahmen nicht wieder in Gang setzen kann. Sibylles einsamer Kampf um den klaren Kopf der Grossmutter ist ein Kampf um Freiheit und Heimat, die die beiden Kinder durch den «Wackelkontakt» verlieren.
Ralph Etter setzt diese Geschichte aus der Wirklichkeit mit der Ökonomie eines alten Meisters in Szene, der im Dialog kein überflüssiges Wort verliert und der Kamera keinen Schwenk zu viel, aber auch keine Perspektive zu wenig erlaubt.

(Jurybegründung anlässlich der Verleihung des Nachwuchspreises First Steps Award 2004 in der Kategorie Kurz- und Animationsfilme bis 25 Min.)


Taucher

Daniel und Nadja sitzen am Ufer des Bodensees.
Daniel beobachtet wie einige Kinder die Leiter des Sprungturms, der nicht weit vom Ufer mitten im See steht, hochklettern. Ängstlich stehen sie oben, schauen vorsichtig hinunter. Daniel sieht, welche Überwindung es sie kostet, sie ihren ganzen Mut zusammennehmen müssen und manche schreiend, manche still und heimlich hinunter springen. Sobald sie unten wieder auftauchen, lachen und jubeln alle. Auf einmal steht ein ziemlich kleiner und junger Bengel auf der Plattform. Daniel schaut gebannt zum Sprungturm. Der Kleine geht vorsichtig bis an den Rand und schaut ängstlich nach unten. Daniel richtet sich nervös auf. Der Junge zögert, ist sich nicht sicher und schaut noch mal zurück, als suche er etwas. Langsam dreht sich der Junge zurück, neigt nach vorn und... Daniel drückt die Augen zusammen. Ihm stockt der Atem - Schwarz.

Nach wenigen Sekunden, das Geräusch des Wassers. Daniel öffnet vorsichtig die Augen. Die Sonne blendet. Er kann nichts erkennen. Da taucht der Junge wieder auf, lacht und schreit laut vor Freude. Vom Ufer hört man, wie seine Mutter mitlacht und ihm stolz etwas zuruft. Daniel muss schmunzeln und ist sichtlich erleichtert. In seiner linken Hand hält er ein Grasbüschel. Er schaut nach unten und sieht, dass neben ihm ein Stück Rasen fehlt. Nadja, die ihn beobachtet hat, stupst ihn in die Seite und lächelt ihm zu.

(Aus «Taucher», Spielfilm in Planung)


The Good Man

«Nicht wir formen das Leben, das Leben formt uns.» Cyril aus «The Good Man»

Cyril und Lone auf dem Deck der «Rhone», eines alten Genferseeschiffs. Lone erzählt ihm hastig eine leidige Geschichte, die ihr soeben widerfahren ist. «Ich stresste zum Schiff und wollte noch schnell Geld aus dem Automaten holen. Das Kärtchen habe ich brav eingepackt, aber vor lauter Stress die 20 Franken vergessen. Nicht weit, bin gerade erst um die nächste Ecke gebogen, habe ich es bemerkt und bin schnell zurück gerannt. Doch wie man sich denken kann, waren die 20 Franken verschwunden.» Cyril tröstet sie, da kommt ein älterer Herr zu ihrem Abteil. Er entschuldigt sich, das Gespräch verfolgt zu haben und beginnt zu erzählen. «Letzte Woche habe ich 500 Franken aus dem Geldautomaten gelassen und da ist mir das Gleiche passiert. Ich musste schnell auf den Bus und dachte, der Automat würde nicht richtig funktionieren und kein Geld ausspucken.» Während er erzählt, ist Lone unaufmerksam, denkt sich, was der Typ nun schon wieder will. «Als nichts herauskam, bin ich Richtung Bus gehetzt. Als ich schon eingestiegen war, kam ein junger Mann von hinten angerannt und sagte, dass ich da ziemlich viel Geld vergessen hätte.
Ich konnte ihm nicht mal etwas geben. Er wollte nicht! Darum gebe ich sie jetzt ihnen, die 20 Franken.»
Er drückt Lone einen 20-Frankenschein in die Hand. Überrascht und sprachlos drückt sie ein leises «Danke» heraus. Und der alte Mann entgegnet ihr tapfer. «Tja, ich hatte einen ehrlichen Finder.» Er verabschiedet sich und setzt sich wieder. Lone betrachtet fast schon beschämt die 20 Franken.

(Aus «The Good Man», Spielfilm in Planung)



Ralph Etter
Regisseur
Geboren am 22. Dezember 1978 in Solothurn
Bürger von Maikirch BE
lebt und arbeitet in Berlin
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» Dokumentation (PDF)
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Kanton Solothurn
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Kreuzackerstrasse 1
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